Nichtabrechnung über mehrere Jahre hinweg als gröbliche Pflichtverletzung

15.03.2021

Zu den Pflichten eines Vertragsarztes gehört es, die von ihm erbrachten Leistungen offenzulegen und bei der KV ordnungsgemäß abzurechnen. Die sog. peinlich genaue Abrechnung gehört zu den Grundpflichten eines Vertragsarztes und zum Kernbereich der vertragsärztlichen Tätigkeit.

Gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung verstößt nicht nur derjenige, welcher nicht erbrachte Leistungen zu Unrecht abrechnet, sondern auch derjenige, der tatsächlich erbrachte Leistungen und Leistungsfälle nicht oder nicht vollständig abrechnet (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.04.1999 – L 11 KA 16/99 – juris).

Erst mit der Abrechnung der erbrachten Leistungen wird eine Überprüfbarkeit der ärztlichen Behandlungs- und Verordnungsweise in den gesetzlich vorgesehenen Verfahren gewährleistet. Nur sie ermöglicht auch eine gerechte Kostenverteilung unter den Krankenkassen entsprechend der von ihren jeweiligen Mitgliedern in Anspruch genommenen Leistungen. Unerlässlich ist die genaue Abrechnung schließlich auch im Verhältnis zu den übrigen Vertragsärzten. Der Vertragsarzt, der seine gesetzlich versicherten Patienten ohne eine Abrechnung gegenüber der KV behandelt, verschafft sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den übrigen Vertragsärzten (BSG, Urteil vom 25.11.1998 – B 6 KA 75/97 R – BSGE 83, 128 = SozR 3-2500 § 116 Nr. 17; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.04.1999 – L 11 KA 16/99 – juris). Er verfälscht die statistischen Daten, an denen die Wirtschaftlichkeit ihrer Arbeitsweise und der Umfang und Inhalt der vertragsärztlichen Versorgung insgesamt gemessen wird.

Der 1950 geborene Kl. ist Facharzt für Innere Medizin und in einer Einzelpraxis seit 1987 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Im September 2014 erklärte er, zwar habe er seit 2010 keine bzw. keine vollständigen Abrechnungen mehr vorgelegt, da sein Bruder seitdem lebensbedrohlich erkrankt sei und intensiver medizinischer Betreuung bedurft habe. Als einziger Verwandter habe er neben dem laufenden Praxisbetrieb die Fürsorge für seinen Bruder nur sicherstellen können, indem er aus Zeitmangel auf administrative Tätigkeiten verzichtet habe. Als sich der Gesundheitszustand seines Bruders gebessert habe, habe er feststellen müssen, dass seine Praxis-EDV Abrechnungsquartale nicht habe überspringen können. Deshalb könne er keine aktuellen Abrechnungen mehr einreichen. Dass er seine ärztliche Tätigkeit zu keinem Zeitpunkt unterbrochen habe, lasse sich von Seiten der KV nachvollziehen; es lägen entsprechende Dokumente in großer Zahl vor (Rezepte, Überweisungen, Krankenhauseinweisungen, AU-Bescheinigungen sowie Abrechnungen aus dem Notdienst). In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG räumte er ein, ab 2010 etwa 400 bis 500 gesetzlich versicherte Patienten pro Quartal behandelt zu haben, deren gesamte Leistungsdaten er mithin der KV und den Krankenkassen vorenthalten habe. Das SG Köln, Urteil vom 25.01.2019 – S 26 KA 17/15 – wies die Klage gegen die Zulassungsentziehung ab, das LSG die Berufung zurück.

LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 09.09.2020 – L 11 KA 32/19

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