Vertragsarztzulassung kann eigenständiges Wirtschaftsgut sein

24.03.2017

Erneut hat sich ein Gericht, diesmal das Finanzgericht Bremen, mit der Frage beschäftigt, ob eine Vertragsarztzulassung ein eigenständiges Wirtschaftsgut darstellt. Die Frage der Behandlung der Anschaffungskosten von Vertragsarztsitzen im Rahmen der Abschreibungen wird zunehmend von Seiten der Finanzverwaltung als Anlass für Auseinandersetzungen im Rahmen von Betriebsprüfungen stilisiert.

Im aktuellen Fall hat das Finanzgericht Bremen zur Frage Stellung genommen, wie die Anschaffungskosten einer Arztpraxis zu behandeln sind, die sich nicht am Verkehrswert orientieren. Des Weiteren wurde die Praxis direkt nach dem Kauf an einen anderen Ort verlegt.

Das Gericht urteilt wie folgt:

"Beim Erwerb einer Vertragsarztpraxis ist i.d.R. die Vertragsarztzulassung Bestandteil des erworbenen Praxiswerts und wird dementsprechend nicht als selbstständiges immaterielles Wirtschaftsgut, sondern als Teil des Geschäftswerts des Unternehmens von dem Erwerber erworben. Der Praxiswert besteht insoweit aus den Gewinnchancen des Unternehmens, welche im Betrieb der eingeführten und fortlebenden Arztpraxis begründet sind und als Bestandteile unter anderem den Patientenstamm, den Standort und den Umsatz beinhalten.“

Mithin kann im ersten Schritt festgehalten werden, dass die Abschreibungsfähigkeit generell gegeben ist, wenn eine Praxis erworben und am Standort fortgeführt wird.

Allerdings führt das Gericht weiter aus:

„Die "Vorteile aus einer Vertragsarztzulassung" können aber ein gesondertes und eigenständiges Wirtschaftsgut darstellen – und die Aufwendungen für den mit einer Vertragsarztzulassung zusammenhängenden Vorteil sind dann zu aktivieren –, wenn die Vertragsarztzulassung zum Gegenstand eines gesonderten Veräußerungsvorgangs gemacht wird und das alleinige Interesse der erwerbenden Praxis dem Erwerb des vorhandenen Vertragsarztsitzes gilt und gerade nicht in dem Erwerb der erworbenen Arztpraxis mit ihrem Patientenstamm und ihren Umsatz. Hiervon ist auszugehen, wenn eine Gemeinschaftspraxis die Vertragsarztzulassungen von zwei in sieben bzw. 17 km Entfernung von der Gemeinschaftspraxis praktizierenden Ärzten für zwei neu in die Gemeinschaftspraxis aufzunehmende Ärzte erwirbt, wobei sie kein Interesse am Patientenstamm bzw. den Praxisräumen bzw. der Praxiseinrichtung der beiden Vertragsarztpraxen hat und wobei die beiden Ärzte mit Vertragsarztzulassung zwar formal vorübergehend in die Gemeinschaftspraxis aufgenommen werden, dort aber tatsächlich nie selbst arbeiten, sondern lediglich rechtzeitig die Verlegung ihrer Vertragsarztsitze in die Praxis der bisherigen Gemeinschaftspraxis sowie die Errichtung einer neuen Gemeinschaftspraxis beim örtlichen Zulassungsausschuss Ärzte/Krankenhauskassen beantragen und nach Eintritt in die Gemeinschaftspraxis umgehend die Ausschreibung ihrer Vertragsarztsitze veranlassen sollen.“

In derartig gelagerten Fällen ist das Gericht der Auffassung, dass die „Vorteile aus der Vertragsarztzulassung“ und der hierfür gezahlte Kaufpreis ein nicht abschreibungsfähiges Wirtschaftsgut darstellt. Die Zulassung an sich stellt nach Auffassung des Gerichts ein nicht abnutzbares Wirtschaftsgut dar.

Hieraus ergibt sich, dass zukünftig beim Erwerb einer Praxis Vorsicht geboten ist. Der Kauf einer Praxis in einem überversorgten Bezirk und die sofortige anschließende Verlegung dieser Praxis in einen unterversorgten Bezirk wird wohl zukünftig regelmäßig von der Finanzverwaltung aufgegriffen werden. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass allen Beteiligten eines Praxiskaufs klar sein muss, dass wirklich eine Praxis erworben und ggf. auch verlegt wird.

Deshalb sollte zumindest eine zeitweise Fortführung der Praxis am bisherigen Standort in Erwägung gezogen werden. Wobei man hier darauf achten sollte, nicht unbedingt nur das Schamfrist eines halben Jahres – wie von der Kassenärztlichen Vereinigung regelmäßig gefordert, einzuhalten, sondern einen etwas längeren Zeitraum wählen. Die Verbringung und Weiternutzung der materiellen Wirtschaftsgüter der Praxis sind ebenfalls von Bedeutung und dürfen nicht unterschätzt werden. Wird die Kaufvariante „Verzicht zur Anstellung“ gewählt, so ist ein Arbeitsvertrag und die entsprechende hieraus resultierende Vergütung nicht ausreichend. Der angestellte Arzt muss definitiv in der Praxis auch seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbringen. Diese sollte dokumentiert werden und in einem späteren Streitfall belegbar sein.

Als Lichtblick bleibt festzuhalten: Ein regulärer Praxiskauf ist von der aktuellen Rechtsprechung des Bremer Finanzgericht nicht betroffen. Für alle anderen Fälle bleibt abzuwarten, wie der Bundesfinanzhof als zuständiges Revisionsgericht in diesem Fall urteilen wird. Diesbezüglich halten wir Sie auf dem Laufenden.

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